Zur jährlichen Mitgliederversammlung und dem Neumitgliederempfang hatte die CDU Kirchhain Lucia Puttrich eingeladen. Die ehemalige Hessische Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten und Bevollmächtigte des Landes Hessen beim Bund hielt somit ihre erste Rede nach dem Ausscheiden aus der Politik Anfang dieses Jahres.
Holger Lesch, Vorsitzender des Stadtverbandes, konnte zahlreiche Mitglieder im Gasthaus „Zur Sonne“ begrüßen, darunter auch viele Neumitglieder. Diese wurden von Lucia Puttrich gelobt: „Es ist heute nicht mehr selbstverständlich, dass man sich zur CDU bekennt. Ich danke Ihnen dafür“, so die Europaministerin a.D.
Dass Kirchhain keinen AfD-Stadtverband hat und auch keine eigene Liste erklärte sie so: „Dann müsste man ja konkret werden. In der Kommunalpolitik muss man mit Fleiß an die Arbeit gehen.“ Denn Verantwortung kostet Zeit. Hier kann man sich nicht weg ducken wie auf Bundesebene. Dort würde die AfD vor allem in strukturschwachen Regionen mit ihrer „schlechten Laune und dem Protest“ punkten können. „Aber das sollte jeder Politiker der politischen Mitte als Warnsignal erkennen. Beschimpfen reicht da nicht, sondern Sie müssen die Gründe hinterfragen und nach dem ‚warum‘ fragen“, appellierte sie. Lucia Puttrich zitierte aus einer Studie, die herausgefunden hatte, dass sich für die Menschen in neun von 12 Ländern die demokratische Situation verschlechtert hat. Seit 2021 sogar massiv verschlechtert hat. „In der ganzen Welt geht Vertrauen verloren. Wir leben in einer globalen Ära der Unzufriedenheit“, zitierte sie aus einer OECD-Studie, um anschließend festzustellen: „Die Menschen wollen wieder Kontrolle. Diese permanente Unsicherheit macht sie verrückt. Und genau das wird von den Populisten von links und rechts ausgenutzt.“
Heute wird nicht mehr differenziert, nicht mehr hinterfragt, es wird schnell verurteilt. Ist man nicht links, dann ist man rechts. Und „rechts“ sei heute sehr negativ behaftet. 1977, als Lucia Puttrich in die CDU eintrat, war die CDU politisch rechts „und das war überhaupt nicht schlimm.“ Für sie steht fest: „Nationale Interessen dürfen nicht außen vorgelassen werden.“ Und dieses Oberlehrerhafte mancher Politiker links der Mitte „halte ich für falsch“. Die Menschen wünschen sich eine direkte Ansprache, sie wollen wieder mehr abgeholt und nicht bevormundet werden. Das gab sie den anwesenden Neumitgliedern mit auf ihren politischen Weg. „Gegen negative Emotionen hilft kein nüchternes Argument. Es hilft Empathie. Denn wenn viel ins Wanken gerät, dann braucht man ein Gerüst. Und das ist Vertrauen. Aber Vertrauen wird nicht verzinst. Es ist kein Polster. Man muss es sich immer wieder neu erarbeiten“, schloss sie ihren Vortrag und beantwortete anschließend noch einige Fragen der Kirchhainer CDU-Mitglieder. Darunter war auch Thomas Keller, Neumitglied im Stadtverband aus Emsdorf. „Lucia Puttrich hat viele Wahrheiten gesprochen. Das sollte von Berlin aus mal an die Wähler adressiert werden“, so der 48-Jährige, der nach wie vor an die Regierungsfähigkeit der Bundes-CDU glaubt.